Die Krankenschwester: Die wahre Geschichte der Mörderin Christina Aistrup Hansen

An einem frühen Morgen im März 2015 erhält die dänische Polizei einen Anruf von einer Krankenschwester des Nykøbing Falster Krankenhauses. Sie verdächtigt ihre Kollegin, die 32-jährige Christina Aistrup Hansen Patienten vorsätzlich zu töten. Und die Anruferin befürchtet, dass es gerade wieder geschehen ist.

Die Ermittlungen der Polizei bestätigen den Verdacht. Es ist eine Mord-Serie, wie sie Dänemark noch nie erlebt hat. Am Ende der Ermittlungen steht die Verurteilung Hansens zu einer zwölfjährigen Haftstrafe.

Diese dramatische True-Crime-Geschichte ist Grundlage der neuen, vierteiligen Netflix-Serie Die Krankenschwester, die ab jetzt gestreamt werden kann. Ähnlich wie im Film The Good Nurse ist der Tatort ein Krankenhaus – Menschen, die eigentlich pflegen und heilen sollten, werden zu Tätern.

Unter der Regie von Kasper Barfoed spielt Josephine Park (Befruchtet) Christina Aistrup Hansen und Fanny Louise Bernth (Die Wege des Herrn) ihre Kollegin Pernille Kurzmann Larsen, die den Fall ins Rollen brachte.

Regisseur Barfoed folgt bei seiner Inszenierung dem gleichnamigen Buch von Kristian Corfixen, der für sein sorgfältig recherchiertes Dossier auch mit der Verurteilten sprach.

Doch wie viel Wahrheit steckt in der Serie? Fakt versus Fiktion: Das ist die wahre Geschichte von Christina Aistrup Hansen.

Darum geht es in Die Krankenschwester

Nykøbing ist ein 16.000-Einwohner-Städtchen auf der süddänischen Insel Falster. Das Bezirkskrankenhaus liegt im Norden. Ein sechsstöckiges Gebäude, roter Backstein, in den 1950er-Jahren erbaut, das kleinste Krankenhaus der Region Seeland. Ligusterhecken drumherum, direkt am Guldborgsund gelegen. Alles scheint hübsch und idyllisch auf Falster, „hyggelig“ wie es schwer zu übersetzen im Dänischen heißt.

Fanny Louise Bernth spielt die Krankenschwester Pernille Kurzmann

Für manche bedeutet es aber auch provinzielle Enge. Man kennt sich auf der Insel und man kennt sich natürlich auch im Krankenhaus. Das Personal ist seit jeher dasselbe.

Als Pernille Kurzmann ihre Arbeit im Nykøbing Falster Hospital aufnimmt, kommt sie frisch von der Krankenpflegeschule und hat Schwierigkeiten, einen Draht zu ihren Kolleg*innen zu finden. Aber dann freundet sie sich mit der charmanten und charismatischen Kollegin Christina Aistrup Hansen an. Hansen ist Oberschwester und wird von allen verehrt. Sie weiß immer, was zu tun ist, ist engagiert und in Notfällen meist als Erste zur Stelle.

Doch mit der Zeit fallen Pernille ein paar Dinge auf.

Überdurchschnittlich häufig kommt es zu Dramen, wenn Christina Hansen Nachtschicht hat: Patient*innen, die stabil scheinen, haben Rückfälle und sterben fast –  werden aber von Oberschwester Christina heldenhaft gerettet. Jedenfalls meistens.

Christina Aistrup (Josephine Park) streitet mit Pernille Kurzmann (Fanny Louise Bernth)

Neben diesen Dramen mit Happy End sterben auch immer wieder Patienten. Mehr als gewöhnlich in einem Krankenhaus, findet Pernille.

Langsam wächst in ihr der Verdacht, dass ihre neue Freundin und allseits geschätzte Kollegin für diese Tode verantwortlich sein könnte. Pernille beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen.

Langsam wächst in ihr der Verdacht, dass ihre neue Freundin und allseits geschätzte Kollegin für diese Tode verantwortlich sein könnte. Pernille beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen.

„Wie konnte so etwas über einen so langen Zeitraum hinweg passieren?“

Die Krankenschwester wurde von Nina Leidersdorff, Morten Kjems und Hytten Juhl produziert. Kjems und Juhl waren schon für die erfolgreiche Nordic-Noir-Serie Der Kastanienmann verantwortlich.

Mehr noch als der reine Kriminalfall war für die Macher*innen von Die Krankenschwester das Verhalten des Umfelds, der Kolleg*innen von Interesse. Regisseur Karsten Barfoed erklärt: „Was mich wirklich am meisten interessierte, war: Wie konnte so etwas über einen so langen Zeitraum hinweg passieren, wo doch viele Leute davon wussten oder es vermuteten, nachdem die ganze Sache aufgedeckt wurde?“, sagt er gegenüber tudum.

„Niemand will derjenige sein, der die gute Stimmung verdirbt“

„Das wurde der Schlüssel, auf den wir immer wieder zurückkamen“, fährt Regisseur Barfoed fort. „Es geht nicht nur um eine „verrückte“ Mörderin – es geht um die Frage: Wie hindert uns das System daran, etwas zu sagen, oder wie schützt sich das System selbst? So viele Leute haben etwas vermutet oder gesehen – und doch ist es die neue Krankenschwester, die in ihrem ersten Job nicht nur spürt, dass etwas nicht stimmt, sondern die auch tatsächlich etwas dagegen unternimmt und alles riskiert. Es ging uns auch darum, Pernille und ihrer Situation gerecht zu werden. Wir wollten, dass die Zuschauer mitfühlen können, wie schwierig das ist. Man drückt nicht einfach nur einen Knopf und schon ist man ein Whistleblower.“

Barfoed sagt, dass diese Verbrechen noch schwieriger aufzudecken und zu verfolgen waren, weil sie in Dänemark stattfanden.

Ihr ist nicht zu trauen: Christina Aistrup Hansen

„Das Vertrauen der Dänen in die Gesellschaft, in das System, ist größer als im Rest der Welt. Wir sind geneigt, darauf zu vertrauen, dass das System das Beste für uns will. Wir sind verletzlich, wenn solche Dinge passieren. Niemand will derjenige sein, der die gute Stimmung verdirbt.“

Wo sind die echte Pernille Kurzmann und Christina Aistrup Hansen heute?

In dem Verfahren gegen Christina Aistrup Hansen wurde in einem gerichtspsychologischen Gutachten festgestellt, dass sie an einer histrionischen Persönlichkeitsstörung leidet. Dies bedeutet, dass sie für positive Aufmerksamkeit bis zum Äußersten zu gehen bereit ist. Staatsanwalt Michael Boelsen erklärte vor Gericht, dass „die Angeklagte sich als Hauptfigur in einem bizarren Theaterstück arrangiert hat, in dem die Patienten ihre Statisten sind“.

Pernille Kurzmann Larsen ist noch immer in der Notaufnahme tätig

Der Fall lässt eine Gesellschaft zurück, deren Vertrauen in das Gesundheitssystem tief erschüttert ist. Bis heute fragt man sich in Dänemark: Wie konnte das bei uns passieren? Warum hat niemand früher etwas gemerkt? Oder – schlimmer noch – wenn jemand etwas bemerkt hat: Warum hat er nicht früher Alarm geschlagen?

Christina Aistrup Hansen sitzt ihre zwölfjährige Haftstrafe im Jyderup Gefängnis auf Seeland ab.

Pernille Kurzmann Larsen ist noch immer in der Notaufnahme des Nykøbing Falster Krankenhauses beschäftigt. In einem Interview äußerte sie sich unzufrieden: „Vi har ikke lært af sagen“ – Wir haben nichts aus dem Fall gelernt.

Netflixwoche Redaktion

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