Devotion: Die wahre Geschichte des Piloten Jesse Leroy Brown

Jesse LeRoy Brown war schon immer anders als die anderen. Er verfolgte seine Ziele, auch wenn niemand außer ihm daran glaubte. Jesse L. Brown erfüllte sich seinen größten Traum, gegen alle Widerstände. Doch nicht, ohne dafür zu bezahlen.

Der neue Film Devotion (deutsch: Hingabe) ist inspiriert von seiner Geschichte und erzählt vom Leben des ersten Schwarzen Marinefliegers der US-amerikanischen Navy. Der Film konzentriert sich auf Jesse LeRoy Browns Zeit im Militär und erzählt wenig von seiner Kindheit und Jugend – doch erst wer Browns Biographie liest, versteht, wie hart der Weg für ihn wirklich war. Das ist seine wahre Geschichte.

Eine Kindheit auf der Baumwollplantage

Als Jesse Brown 1926 im Bundesstaat Mississippi geboren wird, herrscht in den USA noch die Rassentrennung: Afroamerikaner*innen dürfen in Restaurants nicht neben Weißen sitzen, müssen gesonderte – schlechtere – Bushaltestellen, Schulen und Toiletten nutzen. Der Ku-Klux-Klan terrorisiert mit Lynchmorden die Schwarze Bevölkerung. Bis zur Unterzeichnung des Civil Rights Act, der Diskriminierung verbietet, werden Bürgerrechtler*innen wie Dr. Martin Luther King noch 38 Jahre kämpfen müssen.

Im Süden ist die Situation für Kinder wie Jesse Brown besonders schwer. Mississippi war einer von elf Bundesstaaten, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts zusammengeschlossen hatten, um die Freilassung der Sklaven zu verhindern. Erst nach dem Bürgerkrieg 1865 erklärte die Regierung unter Präsident Abraham Lincoln die Sklaverei für beendet.

Die Sklaverei war zwar beendet. Doch der Rassismus und die systematische Unterdrückung der Schwarzen Bevölkerung noch lange nicht.

In den 1930er-Jahren müssen Jesse Brown und seine fünf Geschwister ihrem Vater nach der Schule auf den Feldern beim Mais und Baumwolle pflücken helfen. Browns Mutter ist Lehrerin und weiß, dass es für ihre Kinder nur einen Weg aus der Armut gibt: Bildung.

Jesse Brown schreibt in der Grundschule Bestnoten. Schon als Kind spricht er fließend französisch. Um auf eine bessere High School gehen zu können, zieht er zu seiner Tante nach Hattiesburg. 1944 macht er dort seinen Abschluss –  als Zweitbester des gesamten Jahrgangs.

Er wollte immer höher hinaus – wortwörtlich

Jesse Brown schreibt sich an der Ohio State University im Norden der USA ein. Einer Uni, an der im Vorjahr nur sieben Schwarze Studenten ihren Abschluss gemacht haben.

Auch hier schreibt Jesse Brown Bestnoten. Lura Brown, einer seiner Brüder, erzählt später: Als Professoren einer nahe gelegenen Universität von Jesses Intellekt hören, holen sie ihn an ihr College. Sie wollen Fotos von seinem Kopf machen. Als die Untersuchung abgeschlossen ist, sagen die Professoren zu Brown, dass er aufgrund seiner Schädelform ein Schwachkopf sein müsse.

Als Wissenschaft getarnter Rassismus ist nur eine von vielen Hürden, die Jesse Brown in seiner Universität überwinden muss: Als Polizisten ihn in Hattiesburg auf der Straße davon sprechen hören, dass er gemeinsam mit weißen Studenten studiert, schlagen sie ihn brutal zusammen.

Trotz der Gewalt, der Diskriminierungen, der Hürden: Brown weiß, er wird es schaffen. Er muss: Schließlich will er Flieger werden.

Der echte Jesse LeRoy Brown im Cockpit, vor seinem Einsatz in Korea Ende 1950. Foto: US Navy.

Ein Traum und ein Brief an den Präsidenten

Als Brown sechs Jahre alt ist, nimmt ihn sein Vater zum ersten Mal mit zu einer Flugshow. Der Flugplatz wird zu einem magischen Ort für Brown, den er danach wieder und wieder besucht.

Einige Jahre später, als Brown 13 Jahre alt ist, arbeitete er als Zeitungsjunge für den Pittsburgh Courier, eine Wochenzeitung für die afroamerikanische Community. Darin las er zum ersten Mal Geschichten über afroamerikanische Flieger. Wie Charles Alfred Anderson, der sich selbst das Fliegen beibrachte und schließlich sogar First Lady Eleanor Roosevelt flog. Oder Eugene Bullard, die „Schwarze Schwalbe“, ein US-Amerikaner, der aber für die Franzosen im 1. Weltkrieg flog.

Brown stellte fest: Im US Army Air Corps gibt es keinen Schwarzen Flieger. Warum nicht?

Er schreibt einen Brief an Präsident Franklin D. Roosevelt und stellt genau diese Frage. Sechs Wochen später bekommt er einen standardisierten Formbrief zurück. Darin wird ihm versichert, dass sich das eines Tages ändern würde.

Jesse Brown sorgt selbst dafür, dass es dazu kommt.

Der Weg zur Navy

Als Brown in seinem zweiten College-Jahr ist, erfährt er von einem Programm der US Navy, das Marineflieger ausbildet. Das Programm gibt es zu dem Zeitpunkt jedoch bloß an 52 Universitäten – und zwar nur an jenen, an denen kaum Schwarze studieren. Doch Browns Uni gehört dazu.

Trotz des Widerstandes der Personalvermittler besteht Brown die Aufnahmeprüfung. Er wird am 8. Juli 1946 in das Luftfahrtprogramm aufgenommen und erhält 1948 als erster Afroamerikaner sein Marinefliegerabzeichen.

Christina Jackson als Jesse Browns Frau Daisy und Jonathan Majors als Jesse Brown.

Jesse LeRoy Brown in Devotion

Der Film Devotion handelt vor allem von dieser Phase aus Browns Leben: seinem Militärdienst. Jonathan Majors spielt Jesse Brown als intelligenten, aber verschlossenen Mann. Seinen Kameraden gegenüber ist er wortkarg. Brown ist ein harter Arbeiter, der nie trinkt und nachts weiter schuftet ​– er muss härter arbeiten als alle anderen, weil er wegen seiner Hautfarbe kritischer als alle anderen beäugt wird.

Den Rassismus gegenüber Jesse Brown thematisiert Devotion vor allem in den Details: Eine Nachbarin, die sich wegdreht, als er winkt. Kameraden, die darauf wetten, dass er ein schwieriges Landemanöver nicht schaffen wird und darüber spaßen, Brown werde „baden gehen“ – wohlwissend, dass ein Absturz ins Meer seinen Tod bedeuten würde.

In einer Szene nötigt ein Journalist Brown zu einem Fotoshooting für das Life Magazin: Eine Feel-Good-Story für die Menschen zuhause, über den „Schwarzen Helden“, den ersten Schwarzen Kampfpiloten der USA. Brown muss vor seinem Flugzeug posieren, umzingelt von allen anderen, die ihn dabei anglotzen. Wieder ist Brown der Andere, der Außenseiter.

Später spricht ihn einer der anderen Soldaten darauf an: „Hey, wir haben gerade deinen Zirkusauftritt auf Deck gesehen. Kann er denn auch jonglieren?“

Brown erträgt den Rassismus stoisch. Doch in einer anderen Szene sehen wir, was die Anfeindungen mit ihm machen: Vor einer besonders schwierigen, lebensgefährlichen Übung spricht er zu seinem Spiegelbild.

Vor anderen ignoriert Jesse Brown (Jonathan Majors) den Rassismus stoisch – er kann es sich nicht leisten, eine Szene zu machen. Aber in Szenen wie dieser ist zu spüren, wie sehr ihn die ständigen Anfeindungen mitnehmen.

Seine Hände krallen sich am Waschbecken fest, Tränen laufen über sein Gesicht, er atmet schwer. Und versucht sich selbst zu disziplinieren, indem er die rassistischen Beschimpfungen wiederholt – das N-Wort, „Boy“ – die er wieder und wieder in seinem Leben zu hören bekommen hat. „Du bist ein Stück Scheiße. Du landest das Flugzeug niemals.“

Aber Devotion ist auch ein Film über Freundschaft, die Grenzen und Vorurteile überwindet.

Jesse LeRoy Brown und Tom Hudner: Freunde bis über den Tod hinaus

Zu Beginn des Films lernt Brown seinen neuen Wingman Tom Hudner kennen (gespielt von Glen Powell, bekannt aus einem anderen berühmten Fliegerfilm: Top Gun: Maverick).

Hudner ist von Anfang an von Brown fasziniert, von seinem Talent als Pilot, seiner Disziplin und seinem Intellekt. Doch Brown vertraut ihm anfangs nicht – zu oft wurde er enttäuscht und angefeindet.

Obwohl ihr Start holprig ist, freunden die beiden sich an. Hudner erarbeitet sich diese Freundschaft, mit geduldiger Herzlichkeit. Er nimmt Brown mit, als sein Auto liegen bleibt, und behandelt Browns Frau Daisy mit Respekt. Die beiden Männer verbindet die tiefe Liebe zum Fliegen und ein Bedürfnis, andere zu schützen. Doch als sie kurz darauf in den Koreakrieg eingezogen werden, wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.

Bei einem Flug über den schneebedeckten Wäldern Nordkoreas stellt Brown plötzlich fest, dass sein Flugzeug Öl verliert. Er wurde getroffen.

Mit diesem Einsatz und seinen Folgen endet der Film – und das Ende von Devotion wollen wir hier nicht zu viel spoilern. Darum hier nur so viel: Einer der beiden Freunde Jesse Brown und Tom Hudner erhielt die höchste Auszeichnung des US-Militärs, die Medal of Honor. Der andere das Distinguished Flying Cross. Zwei amerikanische Präsidenten – Harry Truman und Ronald Reagan – würden beide als Helden loben. Und die wahren Familien von Brown und Hudner sind bis heute eng befreundet.

Netflixwoche Redaktion

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