Deutsche Synchronstimmen, die Original-Charaktere komplett verändern

Schließ mal die Augen: Woran denkst du, wenn du an Tom Hanks denkst? Oder an Morgan Freeman? Oder an Sarah Jessica Parker? Vielleicht denkst du an den winkenden Forest, an die Personifizierung von Gott und an Kleider aus Tüll. Vielleicht aber auch an die Sympathie in Tom Hanks’ Stimme, an die Tiefe in der von Morgan Freeman oder an die säuselnden Worte der Carrie Bradshaw, wenn sie sagt: “Und so kam ich nicht umhin, mich zu fragen …” Die Stimme schärft das Bild, das wir von einem Filmcharakter bekommen sollen. Und dabei geht es nicht darum, was die Person sagt, sondern wie.

Dafür gibt es Synchronsprecher*innen: Bestenfalls in ähnlichem Alter wie das Original, ähnliche Tonlage, passender Rhythmus. Doch es geht auch anders. Wie sehr die Stimme die Wirkung einer Person wirklich beeinflussen kann, merkt man bei diesen sechs Film-Charakteren. Denn deren deutsche Synchronstimmen machen aus den echten Schauspielern völlig andere Personen.

1. David Schwimmer als Ross Geller in Friends

Die Kult-Serie Friends schauen wahrscheinlich ohnehin die meisten Fans im Originalton: Leichte Dialoge aus dem Alltag; Wortwitze, die nur im Englischen funktionieren; Stimmen, an die man sich über zehn Staffeln gewöhnen kann. Wer doch mal auf Deutsch guckt, kann meinen, sich in der kompletten Serie vertan zu haben – jedenfalls, was die Szenen mit Ross Geller, gespielt von David Schwimmer, betrifft. Anstelle seiner sonst so ruhigen Stimme tönt aus Ross dann etwas Quietschiges, Nasales. Eine Stimme, die den intelligenten Ross eher dümmlich wirken lässt. Er ist kein Friend mehr, dort auf dem Bildschirm, sondern plötzlich ein Fremder. Ein Fremder, den wir, wenn wir genau hinhören, aber vielleicht doch schon kennen. Bloß aus anderen Filmen. Die deutsche Synchronstimme Gerald Schaale spricht unter anderem auch den Kleinaffen Mort aus Madagaskar, Pinocchio bei Shrek und Daffy Duck in Space Jam. Und: Snoop Dogg.

2. Adam Driver als Charlie Barber in Marriage Story

Adam Driver ist ein Charakterschauspieler und zu seiner besonderen Art gehört auch seine Stimme. Eine Stimme, die mit ihrer Tiefe immer im Einklang ist mit den Emotionen, die er in seinen Filmen rüberbringen will. Und wenn diese Stimme nicht mehr ist – dann hört sich Adam Driver nicht nur anders an, sondern löst auch etwas ganz anderes in den Zusehenden aus. Besonders deutlich wird das in Marriage Story, dem oscarprämierten Film, der in der Originalfassung von scheinbar echten Gefühlen lebt. Während die deutsche Synchronstimme von Scarlett Johansson ihrer wahren Stimme ähnelt, ist das bei Adam Driver als Charlie Barber nicht der Fall. Aus Adam Drivers einprägsamer Stimme wird plötzlich eine höhere, gefühlt schon tausend Mal gehört. Eine Stimme, die eine von vielen ist – und ihn damit zu einem von vielen macht.

3. Adam Sandler als Howard Ratner in Der schwarze Diamant

Vielleicht liegt es an den immer etwas zu weit geschnittenen Hemden im Hawaiimuster, vielleicht auch an seinen gefühlt immer nur halb geöffneten Augen. Aber ganz sicher liegt es an seiner Stimme, dass man Adam Sandler meist nicht wirklich ernst nehmen kann - jedenfalls, wenn man seine Filme auf Deutsch sieht. Knarzig, manche Wörter etwas zu sehr in die Länge gezogen, betont verwirrt. Im Grunde passend, denn in vielen seiner Filme, etwa in Kindsköpfe, spielt Sandler genau solche Charaktere: Männer, die mit ihrem Alltag stellenweise überfordert sind. Aber manchmal eben auch nicht, wie zum Beispiel in Der schwarze Diamant. Diese Filme sollte man sich lieber im Originalton mit Sandlers echter Stimme ansehen. Denn die macht aus ihm erst den ernst zu nehmenden Schauspieler, der er ist.

4. Eva Mendez als Dr. Sheila Ramos Gamble in Die etwas anderen Cops

„Aber Honigschwengel, das war doch vor so langer Zeit“, säuselt Eva Mendez in ihrer Rolle als Dr. Sheila Ramos Gamble ihrem Mann entgegen. Und obwohl sie ihn auch in der Originalfassung als „honeydick“ bezeichnet, wirkt die Szene – überhaupt jede Szene mit Eva Mendez – im Englischen nicht ansatzweise so anzüglich wie in der deutschen Fassung. Die deutsche Synchronstimme Sandra Schwittau haucht ihren Charakteren immer etwas mehr Erotik ein, man achte auf die kleinen Stöhner und Seufzer, die mal vor, mal hinter einem Satz kommen. Meist passt diese Art der zugespitzten Betonung zwar zu Mendez’ Rollen. Doch gleichzeitig nimmt sie ihnen auch all die Natürlichkeit, die sie in der Originalversion haben. Denn mal im Ernst: Wer redet denn so?

5. Clint Eastwood als Earl Stone in The Mule

Haben Schauspieler*innen eine lange Karriere, von Kindesbeinen bis ins hohe Alter, dann müssen auch ihre Synchronstimmen mit ihnen wachsen. Bei Clint Eastwood, der seinen ersten Film im jungen Erwachsenenalter drehte, sind es bis heute 67 Jahre Schauspielkarriere. Das Problem: Seine fast gleichalten Synchronsprecher Rolf Schult und Klaus Kindler, die mit ihm gewachsen sind, verstarben beide bereits. Für die folgenden Filme von Eastwood musste also Ersatz her. Inzwischen wird er von Jochen Striebeck gesprochen, wie im Film The Mule aus dem Jahr 2018. Doch Striebeck ist zwölf Jahre jünger als Eastwood – was man hört. Im Film, in dem der 88-jährige Eastwood im Original eben die Stimme eines sehr alten Mannes hat, hat er in der deutschen Fassung die eines zwölf Jahre jüngeren. Das Zerbrechliche fehlt, das Zittern, das Raunen. Man sagt, an den Händen erkenne man das wahre Alter einer Person. Wir sagen: An der Stimme.

6. Eddie Murphy als Charlie Hinton in Der Kindergartendaddy

Es gibt eine Sache, die haben People of Color in ihren Filmrollen oft gemeinsam: Meist klingen sie in den deutschen Versionen ihrer Filme irgendwie überdreht. Vielleicht liegt es daran, dass den oftmals weißen Synchronsprecher*innen aufgetragen wird, ein Klischee zu reproduzieren. Die Stimme soll lustig klingen, aufmüpfig, gangsterhaft oder besonders melodisch. Auch ein Grund, warum viele fordern, Schwarze Schauspieler*innen sollten nur noch von People of Color synchronisiert werden. Auch bei Eddie Murphy in Der Kindergartendaddy kann man sehen und hören, wie ihn seine deutsche Synchronstimme stereotypisiert: Seine in Wahrheit ruhige, tiefe Stimme klingt plötzlich hell und laut. Sie würde besser zu einem Comedyprogramm als zu einem Spielfilm passen. Hier lohnt es sich einmal mehr, den Film in der Originalfassung zu schauen.

Netflixwoche Redaktion

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