„Eine Superheldin im Hosenanzug“ – Debora Cahn über ihre Serie Diplomatische Beziehungen

Willkommen im Spionage-Camp: So nennen die Drehbuchautorin Debora Cahn und ihr Team die Recherche-Woche, die sie zum Anfang jeder neuen Staffel mit den Menschen verbringen, über die sie schreiben. Mit Expert*innen aus der Politik, dem Militär, den Geheimdiensten und dem Journalismus.

Bei einem solchen Spionage-Camp für ihre Serie Homeland lernt Debora Cahn eine Botschafterin kennen. Vor Cahn sitzt eine Frau mit der Ausstrahlung einer Bibliothekarin und trinkt Tee. Doch dann fängt die unscheinbare Frau an zu erzählen – atemberaubende Geschichten voller Action, von Einsätzen in Kriegsgebieten, von Entscheidungen, die ganze Nationen bewegt haben.

„Ich hatte das Gefühl, dass diese Frau eine Superheldin im Hosenanzug ist“, sagt Debora Cahn später. „Sie rennt herum und rettet die Welt, weicht Kugeln aus und macht das alles mit einer Porzellantasse in der Hand.“ Und die Öffentlichkeit bekommt nichts davon mit.

Begegnungen wie diese waren die Inspiration für Cahns neue Serie: Diplomatische Beziehungen. Der Plot: Während einer globalen Krise zwischen den USA, UK und Iran muss eine Diplomatin (Keri Russell) neben ihrer neuen Position als Botschafterin in London auch ihre turbulente Ehe mit einem Starpolitiker (Rufus Sewell) meistern.

Im Interview mit Netflix erzählt Showrunnerin Cahn, warum es in der Serie um mehr geht als Politik, wie sie lustige Momente und Drama verbindet und warum sie anständige Menschen spannender findet als korrupte Figuren.

Netflix: Worauf können sich die Fans bei Diplomatische Beziehungen freuen?

Debora Cahn: Diplomatische Beziehungen ist eine Serie über langjährige Beziehungen, zwischen Menschen und zwischen Ländern. Es ist schwer, eine Beziehung über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, sei es eine Ehe oder ein Militärbündnis. Wir verändern uns, wir wachsen, die Welt verändert sich, und doch wollen wir, dass diese Beziehungen Bestand haben. Es ist eine Serie über Menschen, die ihr Bestes tun, um ihre Partnerschaften am Leben zu erhalten und sich dabei nicht gegenseitig umzubringen.

Welche Reise durchlebt die Protagonistin Kate in dieser Staffel – beruflich wie privat?

Es gibt zwei Arten von Botschaftern: politische Botschafter, die an Orte wie London und Paris und Rom geschickt werden, und Berufsbeamte des Auswärtigen Dienstes, die auf anspruchsvollen Posten oder in Krisengebieten eingesetzt werden. Kate gehört zu den letzteren, genau wie ihr Mann Hal. Sie gehen dorthin, um einen Krieg zu beenden bevor er ausbricht, oder helfen, einen bestehenden Konflikt zu beenden. Es ist ein Leben im Adrenalinrausch. Sie tun ihre Arbeit, während um sie herum Bomben fallen und Kugeln fliegen. Kate ist kurz davor, einen einflussreichen Posten in Afghanistan zu übernehmen, um die diplomatische Mission der Vereinigten Staaten dort wieder aufzubauen. Doch dann wird sie abberufen und ins Oval Office versetzt, wo sie gebeten wird, stattdessen einen Auftrag in London anzunehmen. Der Job in London ist nicht das, was sie will, und es ist auch nicht das, was sie gut kann. Es wird auch das erste Mal sein, dass sie und ihr Mann an einen Ort gehen, an dem sie diejenige ist, die im Rampenlicht steht, und er derjenige auf dem Rücksitz ist. Das bringt nicht gerade das Beste in den beiden zum Vorschein.

Die Serie mischt verschiedene Genres – es gibt Politik-Thriller-Elemente, Drama, tiefgründige Charakterstudien und sie ist auch sehr lustig. Wie schaffen Sie als Showrunnerin es, diese Mischung auszubalancieren?

Ich mag Dramen, die einen Sinn für das Absurde haben, und die Diplomatie ist eine Welt, die das sehr stark bietet. Man hat es mit einer Menge an Regeln und protokollgesteuertem Verhalten zu tun, aber unter all dem stecken Menschen, die schwitzen, sich Kaffee auf die Kleidung schütten und den Namen ihres Gesprächspartners vergessen. All das brodelt immer unter der Erhabenheit und Majestät, die mit der Arbeit von Staatsoberhäuptern einhergeht.

Hal (Rufus Sewell) und Kate (Keri Russell) müssen nicht nur internationale Konflikte lösen, sondern sind auch als Ehepaar mit einer persönlichen Krise konfrontiert.

Wie war die Zusammenarbeit mit Keri Russell, die sowohl der Star der Serie als auch eine ausführende Produzentin ist?

Sie ist ein unglaubliches Talent. Sie ist so lebendig und anziehend auf dem Bildschirm, man kann die Augen nicht von ihr abwenden. Es ist eine große Rolle, und sie bringt in jedem Moment etwas Neues und Elektrisches mit. Und sie ist ein unglaublicher Mensch. Sie weiß, dass sie in der Lage ist, den Ton für die ganze Truppe anzugeben. Sie ist ein echter Profi. Sie kommt herein, ist bereit zu arbeiten, sie arbeitet wirklich hart, und sie schafft es trotzdem immer, ein bisschen albern zu sein. Sie bringt ein Gefühl der Verspieltheit und Freude mit ans Set. Diese Einstellung ist ansteckend.

Und Rufus Sewell, der Kates Ehemann Hal spielt?

Ich habe Rufus vor fünfzehn Jahren in einem Tom-Stoppard-Stück mit dem Titel Rock 'N' Roll gesehen, und ich habe mich in ihn als Schauspieler verliebt. Er bringt so viel Vielseitigkeit und Lebendigkeit in seine Arbeit ein. Er ist unglaublich spezifisch und spielerisch und intensiv. Hal ist eine komplizierte Figur. Er ist unendlich liebenswert und unendlich hassenswert. Das ist die Dynamik, mit der Kate zu kämpfen hat. So sehr sie sich auch von dieser Beziehung lösen möchte, sie kann es nicht. Er ist zu köstlich. Die Magie, die er in einen Raum bringt, ist unwiderstehlich. Und Rufus bringt das in Hülle und Fülle.

Sie haben an vielen diesen hochkarätigen politischen Shows gearbeitet. Was ist das Besondere an diesen Geschichten? 

Wie eine Bevölkerung lebt und stirbt entscheidet sich daran, was diese Leute am Dienstag im Büro tun. Unsere Leben verändern sich aufgrund von Entscheidungen, die diese Menschen mit unvollständigen Informationen und zu wenig Zeit treffen. Ob Katastrophen gelöst werden oder Krisen ausbrechen liegt in den Händen eines Haufens grundsätzlich anständiger Menschen, die alle das Beste für die Welt wollen. Es ist leicht, über korrupte Politiker und böse Staatsoberhäupter zu reden, aber es ist schwieriger und interessanter, darüber zu reden, wie die Welt in den Händen von anständigen, kompetenten Menschen, die ihr Bestes tun, zugrunde geht.

Debora Cahn bei einem Panel zu Diplomatische Beziehungen.

Zur Person

Debora Cahn ist eine preisgekrönte Autorin und Produzentin. Bekannt wurde sie vor allem durch die Serien The West Wing (1999), Homeland (2020), Paterno (2018), Grey's Anatomy (2005) und Fosse/Verdon (2019). Die Netflix-Serie Diplomatische Beziehungen (2023) ist ihr neuestes Projekt.

Netflixwoche Redaktion

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