Birgitte Nyborg ist zurück: Darum geht es in der neuen Staffel von Borgen

Es geht blutig los. Die Kamera filmt einen toten Wal, der an der Küste Grönlands liegt und von Fischern zerteilt wird. Plötzlich hören wir ein Motorgeräusch: Tschuk, Tschuk, Tschuk. Einer der Fischer schaut nach oben und sieht einen Hubschrauber, der über den Küstenstreifen fliegt. Die Kamera folgt dem Hubschrauber. Er fliegt ins Inland und landet vor einer Mine. Ein Mann steigt aus, geht geradewegs auf eine Gruppe von Minenarbeitern zu, nimmt einen kleinen, schwarzen Klumpen entgegen und mustert ihn. Eine Sekunde vergeht, zwei, drei. Dann lächelt der Mann und sagt einen Satz, der alles verändern wird: „Glückwunsch, sie haben Öl gefunden!“

Das sind die ersten Bilder, die uns Borgen – Macht und Ruhm zeigt. Die vierte Staffel der dänischen Politserie Borgen – Gefährliche Seilschaften wird am 2. Juni 2022 auf Netflix online gehen. Neun Jahre nach dem Finale von Staffel drei. Neun Jahre: Das ist eine lange Zeit. Deshalb fassen wir für Euch vorab alles zusammen, was Ihr über das neue Borgen wissen müsst.

Neuauflage, Fortsetzung, Spin-off?

Was bei einigen Fans von Borgen für Verwirrung gesorgt hat, war die Frage, ob die vierte Staffel eine Neuauflage der ersten Staffel, ein Spin-off oder eine Fortsetzung sei. Borgen – Macht und Ruhm, so der Titel der vierten Staffel, spielt einige Jahre nach den Ereignissen der dritten Staffel von Borgen – Gefährliche Seilschaften. Es ist eine Fortsetzung.

Viele der alten Borgen-Stars sind auch in der neuen Staffel wieder mit dabei. Allen voran: Sidse Babett Knudsen als Birgitte Nyborg Christensen, die Hauptfigur aus Staffel eins bis drei. Nyborg ist allerdings nicht mehr Premierministerin von Dänemark. Sondern Außenministerin. Dass einige Jahre vergangen sind, sieht man auch an ihrem Sohn, der mittlerweile erwachsen ist und sich als Klimaaktivist engagiert. Fans werden noch viele andere alte Bekannte wiedertreffen, wie Birgitte Hjort Sørensen als Journalistin Katrine Fønsmark.

Wer all diese Namen noch nie gehört hat, braucht sich allerdings keine Sorgen zu machen: Borgen – Macht und Ruhm führt die Geschichte um Birgitte Nyborg zwar fort. Um die Serie zu verstehen, braucht man aber nicht die vorangegangen drei Staffeln zu schauen. (Auch, wenn es sich wirklich lohnt.)

Was Borgen so gut macht

Die neue Staffel und die alten Staffeln von Borgen zeigen uns Politik als Kammerspiel. Wir sind dabei, wenn über Gesetze verhandelt wird, wenn Intrigen gesponnen und Skandale enthüllt werden. Borgen wurde deshalb oft das dänische House of Cards genannt. Der Vergleich hinkt allerdings. Denn während Frank Underwood in House of Cards ein opportunistischer Mistkerl ohne Ideale ist, der sogar Menschen ermordet, wenn es ihm nützt, ist Birgitte Nyborg eine Idealistin. Sie steht für ihre politische Überzeugung ein. In Staffel eins setzt sie sich etwa für einen Ausbau der Entwicklungshilfe und für eine Frauenquote in dänischen Unternehmen ein – und muss dann lernen, dass Politik oft aus Zugeständnissen und Kompromissen besteht. Gerade dann, wenn Borgen zeigt, wie mühselig es ist, einen Gesetzesentwurf durchzubringen, wie viele Menschen dabei mitreden, wie gestritten, verhandelt und auch erpresst wird, ist die Serie am stärksten.

Darum wird es in Staffel vier gehen

In der neuen Staffel spielt Grönland eine zentrale Rolle. Auf der Insel werden Erdölvorkommen entdeckt – was das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Dänemark und Grönland in der Show noch weiter eskalieren lässt. Mittendrin: Außenministerin Birgitte Nyborg.

Die Erdölfrage sorgt auch in der echten Welt zwischen Dänemark und Grönland für Spannungen. Grönland, das vor über 300 Jahren von Dänemark kolonisiert worden ist, ist bis heute kein souveräner Staat, sondern ein sogenannter autonomer Bestandteil des dänischen Königreichs. Über die Frage, was mit dem Öl geschieht, das auf grönländischen Hoheitsgebiet gefunden wird, kann Grönland frei entscheiden. Gerade wirtschaftlich ist Grönland aber nach wie vor von Dänemark abhängig: Ungefähr 600 Millionen Dollar Subventionen fließen jedes Jahr von Kopenhagen nach Nuuk.

Es mag zynisch klingen: Aber für die grönländische Unabhängigkeitsbewegung könnte die globale Erwärmung ein Segen sein. Denn durch die steigenden Temperaturen schmilzt das grönländische Eis und gibt die Bodenschätze des Landes frei. Genau mit diesem Konflikt zwischen Klima- und Umweltschutz und wirtschaftlicher (und damit auch politischer) Unabhängigkeit beschäftigt sich die neue Staffel von Borgen.

Grönland war schon in der ersten Staffel Thema

Fans der ersten drei Staffeln erinnern sich: Die Beziehung zwischen Dänemark und Grönland war auch früher schon Thema der Serie. In der ersten Staffel werden der Journalistin Katrine Fønsmark Fotos von einem Flughafen in Grönland zugespielt, auf dem ein CIA-Flugzeug mit Gefangenen aus Afghanistan zwischengelandet ist. Angeblich: Terroristen. In Wahrheit: Unschuldige Bauern, die die CIA verschleppt hat. Als Fønsmark die Fotos veröffentlicht, kommt es zu einem Skandal, der das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Dänemark und Grönland noch weiter belastet. Premierministerin Birgitte Nyborg, die zu diesem Zeitpunkt noch keine 100 Tage im Amt ist, trifft sich daraufhin mit Jens Enok, dem Premierminister Grönlands.

Nyborgs Problem: Sie kann Enok nicht bestätigen, dass die Fotos echt sind. Denn das käme einem Schuldeingeständnis nach. Enok weiß das. Als Nyborg deshalb ins Stottern kommt, sagt er nur: „Sie müssen mir das nicht erläutern. Mit unserem Treffen haben wir bereits unsere Pflicht erfüllt. Grönland ist der kleine Partner Dänemarks. Und Dänemark ist der kleine Partner der USA.“ Er schweigt für einen Moment. Dann sagt er: „Kalaallit Nunaat: Das heißt Grönland auf grönländisch. Es bedeutet: Land der Grönländer. Das ist mehr ein Ausdruck der Hoffnung als Realität.“

Borgen erzählt aber nicht nur vom harten politischen Alltag, sondern auch vom Privatleben seiner Figuren. Dabei spielte Sidse Babett Knudsen in den ersten Staffel die Rolle der ersten dänischen Premierministerin so überzeugend, dass sie weltweit zu einer feministischen Ikone wurde. Der New York Times verriet sie in einem Interview: „Als ich einmal in London war, kam eine Frau auf mich zu und hat mir gesagt, dass sie einen Sticker an ihrem Kühlschrank kleben hat. Darauf steht: Was würde Birgitte Nyborg tun?“

Netflixwoche Redaktion

Drücke ESC, um die Suche zu schließen.