Das Gute an Spielfilmen ist, dass alles denkbare und undenkbare passieren kann. Gern lassen wir uns von ihnen in fantastische Welten entführen, möglichst weit weg von der Realität. Doch in vielen Fällen schreibt das Leben selbst einfach die besten Geschichten. Ob klassisches Biopic oder Fiktion beruhend auf wahren Begebenheiten. Ob tragische Held*innen oder Pionier*innen, die die Welt veränderten. Ob im letzten Jahrhundert oder heute – manchmal ist das echte Leben fantastischer als die Fiktion. Es ist fesselnd, inspirierend, wahnwitzig, beängstigend, hoffnungsvoll oder alles zugleich und bietet Material für ganz große Filme. Zehn besonders starke „True Stories“ stellen wir hier vor.
Against The Ice (2022)
Zwei Männer und ein gutes Dutzend Schlittenhunde sind die Protagonisten dieses gewaltigen Abenteuers. Auf der Suche nach den Aufzeichnungen der verschollenen Dänemark-Expedition machen sich Kapitän Mikkelsen (Nikolaj Coster-Waldau) und Schiffsmechaniker Iversen (Joe Cole) im Jahr 1909 auf den Weg durch das arktische Eis. Ihr Auftrag: Den Anspruch der Amerikaner auf einen Teil Grönlands zu widerlegen. Doch die kräftezehrende Expedition soll nur der Anfang eines Martyriums sein, das sich nach ihrer Rückkehr zum Schiff zu einem wahren Albtraum entwickelt. Basierend auf dem Buch des echten Ejnar Mikkelsen, ist Against The Ice eine starke Geschichte über Willenskraft, Hoffnung und die Macht der Freundschaft, die von der Kamera in beeindruckende Bilder gepackt wird.
Everest (2015)
Mai 1996, es ist Hochsaison am Mount Everest. Zahlreiche kommerzielle Expeditionsteams, darunter die neuseeländischen Adventure Consultants unter Leitung von Rob Hall (Jason Clarke) und das US-Team Mountain Madness von Scott Fisher (Jake Gyllenhaal) warten im Base Camp auf den perfekten Tag für den Aufstieg. Unter ihren Kunden sind Profibergsteiger*innen, ambitionierte Freizeitalpinist*innen, wohlhabende Abenteursuchende (u.a. Josh Brolin, Sam Worthington und Vanessa Kirby) und der Journalist John Krakauer (Michael Kelly). Dieser schrieb einige Jahre später die schrecklichen Ereignisse auf, die sich aufgrund eines kritischen Wetterumschwungs auf dem Weg zum Gipfel ereigneten und mehreren Teilnehmer*innen das Leben kosten sollten. Sein Buch In Eisige Höhen wurde zu einem internationalen Bestseller und die Inspiration für Everest, einen toll besetzten, nervenaufreibenden, aber auch nachdenklich stimmenden Film.
I, Tonya (2017)
Zu unberechenbar, zu wenig grazil und einfach zu „White Trash“, rümpfte die Eiskunstlauf-Szene von jeher die Nase über Tonya Harding, ungeachtet ihres Talents und ihrer herausragenden Athletik. Und so ging Harding nicht als erste Frau in die Sportgeschichte ein, die den Dreifach-Axel gemeistert hat, sondern durch das skandalöse Angriffskomplott auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan, dem Inbegriff der amerikanischen Eisprinzessin. Der in I, Tonya pointierte Blick in das turbulente Leben der Tonya Harding offenbart die Tragik dieser Person ohne die Geschehnisse jedoch zu relativieren. Auch wegen ihrer toxischen Beziehungen zu Männern und ihrer übergriffigen Mutter blieb sie in der Rolle des ewigen Underdogs. Die nötige Leichtigkeit zieht die Dramedy aus einer guten Portion Wahnwitz und ordentlich schwarzem Humor, ihre Tiefe aus Margot Robbies fulminanter Performance als Schlittschuh-Rebellin am Rande des Nervenzusammenbruchs.
The Social Network (2010)
Jeder kennt den Namen Mark Zuckerberg, hat er doch mit Facebook die Mutter aller sozialen Medien erfunden. Doch wie diese Erfolgsgeschichte begann, wie aus einer kleinen Idee in Rekordzeit das größte soziale Netzwerk der Welt wurde und welche Schwierigkeiten technischer, finanzieller aber vor allem menschlicher Natur es auf dem Weg dahin zu überwinden galt, das erzählen der oscarprämierte Drehbuchautor Aaron Sorkin und Regisseur David Fincher in The Social Network geradezu meisterlich. Jesse Eisenberg glänzt als emotional wie moralisch ambivalenter Zuckerberg, Andrew Garfield lässt einen in der Rolle des geschassten Miterfinders und Kompagnons Eduardo Saverin mitleiden und Justin Timberlake hat es als Napster-Gründer Sean Parker faustdick hinter den Ohren. The Social Network ist eine faszinierende Story über Brillanz und Skrupellosigkeit, gekränkte Egos und den Rausch des Erfolgs, die weit über den biografischen Blick auf den Facebook-Schöpfer hinausgeht.
The Trial of the Chicago 7 (2020)
Von einem der berüchtigtsten Gerichtsverfahren der US-Geschichte erzählt The Trial Of The Chicago 7. Im November 1968 wird der Parteitag der Demokraten von hitzigen Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg begleitet. Im Gemenge sind Anhänger*innen der Studentenbewegung, Yippies, Black Panthers und Pazifist*innen – ein Querschnitt der damaligen Counter Culture. Ein Jahr später stehen acht von ihnen vor Gericht. Sie werden angeklagt, sich der Verschwörung schuldig gemacht zu haben. Eine weitere Drehbucharbeit von The Social Network-Autor Aaron Sorkin, der hier auch Regie führte.
Dazu darf man sich auf einen starken Cast aus Eddie Redmayne, Joseph Gordon-Levitt, Sacha Baron Cohen, Yahya Abdul-Mateen II, Michael Keaton und vielen anderen freuen.
Lion: Der lange Weg nach Hause (2016)
Lion: Der lange Weg nach Hause ist fast zu unglaublich um wahr zu sein. Der fünfjährige Saroo (Sunny Pawar) steigt in einem indischen Dorf mit seinem Bruder in einen Zug, schläft ein und landet in der Millionen-Metropole Kalkutta. Er ist allein und 1.000 Kilometer weit weg von zuhause. Da er weder erklären kann, wer er ist, noch wo er herkommt, beginnt für den kleinen Kerl eine tragische Odyssee. Nach einem Leben auf der Straße und in Heimen wird er schließlich von einem australischen Paar adoptiert (Nicole Kidman und David Wenham). Bei ihnen wächst er wohlbehütet auf. Doch in seinem Innersten treibt den inzwischen erwachsenen Saroo (Dev Patel) die Suche nach seiner Heimat um. Mithilfe seiner Freundin Lucy (Rooney Mara) und den Möglichkeiten von Google Maps, versucht er seine Reise von damals zu rekonstruieren, in der Hoffnung, seine indische Familie wiederzusehen. Die Buchvorlage des echten Saroo Brierley ist eine zeitlose Geschichte über Liebe, Familie und die Macht des Schicksals. Und so wärmt auch der Film das Herz und gibt einem für knapp zwei Stunden den Glauben an das Gute in der Welt zurück.
The Big Short (2015)
Aus einer ganz anderen Welt, aber nicht weniger unfassbar erzählt The Big Short vom Platzen der US-Hypothekenblase im Jahr 2007. Vier Hedgefonds-Manager sehen den Crash nicht nur kommen, sondern beschließen sogar, im großen Stil darauf zu wetten. Der exzentrische Ex-Physiker Michael Burry (Christian Bale) ahnt den Crash als Erster und zusammen mit drei desillusionierten Außenseitern (Ryan Gosling, Steve Carell und Brad Pitt) beschließen sie, es mit den skrupellosen Großbanken aufzunehmen. Ein nicht ungefährliches Unterfangen. Zu gleichen Teilen Drama und Komödie ist Adam McKay (Vice, Don’t Look Up) auf Grundlage des gleichnamigen Sachbuchs von Michael Lewis ein irrwitziger wie scharfsinniger Blick in die Abgründe des Finanzmarkts gelungen.
Die zwei Päpste (2019)
2012 reist der argentinische Kardinal Jorge Bergoglio in den Vatikan, um Papst Benedikt seinen Rücktritt zu erklären. Er ist von der katholischen Kirche entfremdet und will sein Amt aufgeben. Was als kurzer Besuch geplant war, wird zu einer mehrtägigen Grundsatzdiskussion mit dem Ziel, den hadernden Kardinal zum Nachfolger Benedikts und dringend nötigen Reformer zu machen. Wie das Ganze ausging, ist seit Bergoglios Amtsübernahme als Papst Franziskus weithin bekannt. Anthony Hopkins als Kardinal Ratzinger alias Papst Benedikt und Jonathan Pryce als Papst Franziskus füllen ihre Rollen nicht nur dank der täuschenden Ähnlichkeit zu ihren echten Vorbildern bestens aus. Wenn sie in der Sixtinischen Kapelle bei Pizza und Fanta vor den Tourist*innenströmen fliehen müssen, ist das einer dieser perfekten Schlüssellochmomente, von denen es in Die zwei Päpste so einige gibt.
La Vie En Rose (2007)
Edith Piafs Lebensgeschichte ist so etwas wie das Paradebeispiel der tragischen Künstlerinnenseele, die es aus widrigen Verhältnissen zum Nationalheiligtum geschafft hat. Der steinige Weg zum Weltruhm wird überschattet von Alkohol und bitterem Herzschmerz, aber immer begleitet von der Musik, die sie unsterblich gemacht hat. Marion Cotillard spielt in dieser Filmbiografie die gequälte wie begnadete Künstlerin Piaf atemberaubend gut und wurde für ihre Leistung mit einem Oscar ausgezeichnet.
The Dirt – Sie wollten Sex, Drugs & Rock’n’Roll (2019)
Eine musikalische Biografie der völlig anderen Art ist die der amerikanischen Glam-Metal-Band Mötley Crüe. Basierend auf den gleichnamigen Memoiren aus dem Jahr 2001, geht es in The Dirt wild bis reichlich rabiat zur Sache. Nikki Sixx (Douglas Booth), Mick Mars (Iwan Rheon), Tommy Lee (Colson Baker alias Machine Gun Kelly), und Vince Neil (Daniel Webber) machen sich in Leo-Stretchhosen und mit toupiertem Haupthaar auf, die Bühnen der Welt zu erobern. Alkohol-Exzesse, Groupie-Eskapaden und brennende Hotelzimmer gehören zur Tagesordnung. Mötley Crüe zelebrieren den notorischen Rockstar-Lifestyle ohne Kompromisse. Das Resultat sind eine irre Erfolgsgeschichte und der Ruf als skandalträchtigste Band aller Zeiten. Dieser wilde Ritt unter der Regie von Jeff Tremaine (Jackass) ist ein großer Spaß und macht unglaublich Lust auf das nächste Rock-Konzert – Crowdsurfen und Bierdusche inklusive.
Netflixwoche Redaktion